MINT-Kompetenzen sind in der heutigen Gesellschaft wichtig, und die Mathematik spielt dabei eine große Rolle. Das mangelnde Vertrauen der Schüler*innen in ihre eigenen mathematischen Fähigkeiten kann der Entwicklung ihrer Kompetenzen jedoch im Wege stehen. Deshalb wird in einer neuen Arbeit untersucht, wie die Mathematik im MINT-Unterricht in den Mittelpunkt gerückt werden kann.
Rasmus Bo Petersen ist Studierender an der Fakultät für Mathematik und Informatik an der Universität Süddänemark. Vor kurzem hat er ein Projekt über die Implementierung von Mathematik in MINT-Unterrichtsmodule (dän.: STEM = Science, Technology, Engineering and Mathematics) abgeschlossen. Ein Projekt, das er nun in seiner Hausarbeit weiterentwickelt.
»Ich habe zwei MINT-Unterrichtsmodule entwickelt, in denen die Mathematik explizit und implizit im Mittelpunkt steht. Die Forschung zeigt, dass Sichtbarkeit des Lernens – also der explizite Fokus – zu den besten Lernergebnissen führt, und dem möchte ich in meiner Hausarbeit nachgehen, indem ich unter anderem die Unterrichtsmodule in der Praxis erprobe«, sagt Rasmus Bo Petersen.
In seinem Projekt hat er den MINT-Unterricht mit Schwerpunkt Mathematik erforscht. In einer Welt, in der eine Unmenge an Medien auf einem Wust an Plattformen verfügbar ist und die Gesellschaft sich technologisch rasant fortentwickelt, sind MINT-Kompetenzen seiner Meinung nach wichtig, um in der Gesellschaft mithalten zu können.
Die Mathematik spielt im MINT-Bereich eine wichtige Rolle und kann daher die allgemeinen MINT-Kompetenzen der Schüler*innen sowohl positiv als auch negativ beeinflussen. Daher müssen sowohl die mathematisch starken Schüler*innen gefördert als auch die weniger starken unterstützt und mitgenommen werden.
»Dies kann jedoch schwierig sein, da die Schüler*innen persönliche Vorstellungen davon haben, was sie können und was nicht. Wenn Mathe zu den Dingen gehört, von denen sie glauben, dass sie sie nicht können, wirkt sich das auch negativ auf ihr Erlernen von Mathematik aus«, so Petersen.
Er berichtet von einem Schüler der 12. Klasse, der ihn um Hilfe bei einer Aufgabe bat, die Petersen der Klasse gerade gegeben hatte. Der Schüler hatte noch nichts unternommen, um das Problem selbst zu lösen und fragte: ”Wie mache ich das jetzt?”.
Petersen fragte den Schüler, ob er sich schon mal selbst an der Lösung der Aufgabe versucht habe, worauf der Schüler antwortete: ”Ich kann Mathe halt nicht. Ich geriet da in der 4. Klasse irgendwie ins Hintertreffen, und seitdem kann ich Mathe nicht”.
»Ich habe dem Schüler dann mittels Suggestivfragen bei der Aufgabe geholfen – denn im Grunde konnte er Mathematik, hatte aber kein Selbstvertrauen. Wenn ich ihn darauf hinwies, dass seine Antwort richtig war, meinte er, dass er das ”dann halt zufällig richtig geraten habe”. Der Schüler weigerte sich regelrecht, seine mathematischen Fähigkeiten anzuerkennen«, erzählt Petersen.
Das Lernen wurde also durch den mangelnden Glauben des Schülers an seine eigenen Fähigkeiten behindert.
Kann man das Lernen ‚unterjubeln‘?
Eine Möglichkeit, die Freude der Schüler*innen an der Mathematik zu steigern und ihr Lernen zu unterstützen, ist die implizite Einbeziehung von Mathematik. Petersen hat ein entsprechendes MINT-Unterrichtsmodul entwickelt – der Versuch, Mathematik zu vermitteln, ohne dass sich die Schüler*innen dessen bewusst sind.
Er hat auch ein MINT-Modul entwickelt, in dem die Mathematik ausdrücklich im Mittelpunkt steht – das, was als explizit thematisierte Mathematik bezeichnet wird.
»Die beiden Module wurden entwickelt und verglichen, aber noch nicht erprobt«, erläutert Petersen und fügt hinzu: »Alle Quellen weisen jedoch darauf hin, dass Sichtbarkeit dessen, was gelernt werden soll, für das Lernen absolut essentiell ist. Insofern ist ein Programm mit implizitem Fokus auf die Mathematik im Prinzip nicht zu empfehlen«.
Wenn Petersen diese Methode dennoch testen will, dann deshalb, weil er wissen möchte, ob sie womöglich einige der Schüler*innen motivieren kann, die von Anfang an ‚blockiert‘ sind und meinen, dass sie ”all das mit Mathe eh nicht können”.
»In diesen Fällen könnte die implizit enthaltene Mathematik dann doch von Nutzen sein, weil man die Mathematik sozusagen ‚unterjubeln‘ kann«, meint er.
In seinem abgeschlossenen Projekt untersuchte Petersen, was und wie wichtig MINT ist, was ein gutes MINT-Unterrichtsmodul enthalten sollte, und welche Unterschiede es zwischen MINT-Unterrichtsmodulen gibt, in denen Mathematik implizit und explizit enthalten ist.
Das M wird oft übersehen
Mathematik wird oft als eine Art Grundlagendisziplin der MINT-Fächer angesehen, da Mathematik quasi als ‚Sprache‘ für das I, N und T diene. Diese Rolle wird der Sache aber nicht gerecht, meint Petersen.
»Mathematik ist für MINT genauso wichtig wie Lesen-können für das Lesen, Verstehen und Schreiben von Büchern. Für manche ist die Mathematik sogar das wichtigste MINT-Element, da die mathematische Sprache absolut notwendig ist, um mithilfe von Technik (engineering) neue Technologien zu entwickeln und im Bereich der Wissenschaft neue Entdeckungen zu verstehen, zu modellieren und zu machen«, erläutert er.
Seiner Ansicht nach umfasst Mathematik auch mehr als nur die verschiedenen Mathe-Themen wie Algebra, Geometrie, Infinitesimalrechnung usw.
»Mathematik schult eine ganz bestimmte und sehr konkrete Art des Denkens, die sowohl kritisch als auch logisch ist. Daher werden die Schüler*innen auch unabhängig davon, ob sie im MINT-Bereich weitermachen oder nicht, von ihren mathematischen Fähigkeiten profitieren«, ist er überzeugt.
Ein integrativer Ansatz für den MINT-Unterricht erfordert nicht unbedingt, dass alle vier Disziplinen in jeder Unterrichtsstunde zum Einsatz kommen. Es hat sich jedoch gezeigt, dass Mathematik in integrativen Ansätzen nur geringe Auswirkungen auf das Interesse und das Lernen hat. Die Ergebnisse stammen allerdings aus einer Metastudie, die auf einer relativ kleinen Datenmenge beruhte.
»Der Grund für die geringe Wirkung kann in der mangelnden Kenntnis der Lehrkraft über das Thema oder im mangelnden Fokus auf der Mathematik liegen. In vielen der untersuchten Studien wurde die mathematische Leistung überhaupt nicht erwähnt«, sagt Petersen und fügt hinzu:
»Die Forschung zeigt, dass Schüler*innen in einem MINT-Verlauf mit mehr als einer Disziplin mehr Interesse zeigen und mehr lernen, aber es gibt keine Evidenz dafür, dass ein bestimmter Ansatz die beste Wirkung hat. Verschiedene integrative Ansätze führen zu einem unterschiedlichen Grad an gesteigertem Interesse und Lernen«.
Es besteht indessen kein Zweifel, dass sich MINT-Unterrichtsmodule positiv auf die Entwicklung der mathematischen Fähigkeiten der Schüler*innen auswirken können. Das Problem ist nur, dass die Mathematik in manchen Fällen quasi als nebensächlich für die gewählte Aktivität erscheint.
Petersen nennt ein Beispiel, bei dem Schüler*innen Roboterbewegungen synchronisieren sollten. Die Idee hinter der Übung war, dass die Schüler*innen die Aufgabe mithilfe von Mathematik lösen sollten, aber da dies ihnen so nicht ‚vorgeschrieben‘ worden war, wandte die Mehrheit der Schüler*innen eine Methode an, bei der sie ratend vorgingen, bis die Roboter mutmaßlich einen synchronen Eindruck machten.
Erst nachdem die Lehrkraft den Schüler*innen die Rolle der Mathematik deutlich gemacht hatte, waren sie in der Lage, sie auch wie vorgesehen einzusetzen.
»Im Idealfall sollte die Mathematik als Voraussetzung für das Verständnis von Konzepten in den anderen Fächern betrachtet werden. Eine Möglichkeit, dies zu erreichen, besteht darin, die Mathematik in den Vordergrund zu stellen und andere Konzepte vorübergehend in den Hintergrund zu drängen«, sagt Petersen.
Ein solcher expliziter Fokus birgt somit das Potenzial, die Mathematik aus ihrer ”zufälligen” Rolle herauszuholen und vielmehr die Bedeutung der Mathematik herauszustellen.
MINT muss in einem größeren Zusammenhang betrachtet werden
Für Petersen geht es bei einem guten MINT-Unterrichtsmodul letztlich darum, die Schüler*innen zu verantwortungsbewussten Bürgern heranzubilden.
»Wir stehen weltweit vor sehr großen Herausforderungen, die wir angehen müssen: Klimawandel, Pandemien, Hungersnöte und vieles mehr. Deshalb müssen wir Menschen ausbilden, die in der Lage sind, innovativ zu sein und im MINT-Bereich mit allen hiermit verbundenen Fähigkeiten – einschließlich der mathematischen – zu arbeiten«, mahnt Petersen.
Er weist darauf hin, dass junge Leute in der Lage sein müssen, ethisch und moralisch richtige Entscheidungen zu treffen. Viele der wichtigsten ethischen Probleme, mit denen die Welt in jüngster Zeit konfrontiert ist, hängen mit der Wissenschaft und der Entwicklung neuer Technologien zusammen, erläutert Petersen.
»Es geht also auch um eine größere Tagesordnung, wenn wir den Schüler*innen eine möglichst gute Erfahrung mit einem speziellen MINT-Unterrichtsmodul vermitteln wollen«, so Petersens Fazit.
Und es müssen mehr junge Menschen für MINT motiviert werden. Eine Studie zeigt, dass selbst in wirtschaftlich starken Ländern wie den USA, Australien und den EU-Ländern rund 20 Prozent der Schüler*innen keine ausreichenden Kenntnisse in Mathematik und Naturwissenschaften haben.
Gerade deshalb ist Rasmus Bo Petersen daran interessiert, zu erforschen, welche Arten von MINT-Unterricht die Motivation für und das Lernen von MINT, insbesondere Mathematik, fördern können.
»Ich freue mich wirklich darauf, mich in diese Arbeit hineinzuknien – weil ich sie für wichtig halte. Wir brauchen mehr junge Menschen, die sich für MINT interessieren und die verstehen, wie wichtig es ist, sich in Mathematik auszukennen«, so Petersen abschließend.
Über Rasmus Bo Petersen
Rasmus Bo Petersen absolviert sein MSc-Studium an der Fakultät für Mathematik und Informatik an der Süddänischen Universität. Mehr Informationen über sein Projekt sehen Sie hier[JP1]; mit seiner Hausarbeit hat er vor Kurzem angefangen.[JP2]
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