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Sind digitale Hilfsmittel nützlich im Mathematikunterricht?

In Dänemark werden digitale Hilfsmittel im Mathematikunterricht bereits in der Grundschule eingesetzt, während in Deutschland solche Werkzeuge im Mathematikunterricht nur selten genutzt werden. Wirken sich digitale Hilfsmittel auf die Entwicklung der mathematischen Fähigkeiten von Schülern aus oder sind sie nur „nice to have“? In diesem Beitrag haben wir eine Reihe von Expert*innen und Praktiker*innen gefragt, wann digitale Hilfsmittel zur Entwicklung der mathematischen Fähigkeiten von Schülern beitragen können und wann nicht.

In Dänemark werden digitale Hilfsmittel im Mathematikunterricht in viel größerem Umfang eingesetzt als in Deutschland, wo überwiegend ‚händisch‘ gerechnet wird. Wie wirken sich Lehrmittel und informationstechnische Hilfsmittel auf das mathematische Verständnis der Schüler*innen aus? Ist Mathematik das gleiche, egal ob sie von Hand oder mit der Maschine praktiziert wird?

Solche Fragen sind wichtig, um die Beziehungen zwischen Fach, Lehrmittel, Schüler*innen und Unterrichtsform zu verstehen. Lernwerkzeuge spielen eine klare Rolle bei der Vermittlung von Inhalten, und digitale Werkzeuge können daher die Didaktik des Mathematikunterrichts unterstützen, aber auch im Widerspruch dazu stehen.

Händisches Rechnen verbessert das mathematische Verständnis

Die Schulen in Deutschland verwenden nur selten digitale Hilfsmittel im Mathematikunterricht — auch an den weiterführenden Schulen oder in der gymnasialen Oberstufe eher nicht. Hier rechnen die Schüler*innen hauptsächlich von Hand, was ihnen ein besseres Verständnis der mathematischen Zusammenhänge vermittelt, so fünf deutsche Studierende, die MatOnline für diesen Artikel befragt hat. Alle fünf haben dänische Schulen in Schleswig-Holstein besucht und studieren derzeit am UCL (University College Lillebælt) in Odense, Insel Fünen, auf Lehramt. Und sie haben gelernt, dass der Weg zum Ergebnis wichtiger ist als das Ergebnis selbst.

»Ich denke, es ist ein großer Vorteil, möglichst vieles von Hand errechnen zu können, denn ich glaube, man bekommt so ein ganz anderes Verständnis von Mathematik«, sagt Studentin Hanna Ferchof.

»Außerdem verstehe ich viel besser, wie ich eigentlich zu der Lösung komme und welche Schritte ich ausführen muss. Dann wird mir nicht bei Drücken der Entertaste einfach die Lösung präsentiert, sondern ich gehe Schritt für Schritt vor, um sie mir zu erarbeiten. Ich denke aber dennoch, dass es manchmal auch von Vorteil ist, mathematische Programme benutzen zu können, damit man einfacher und schneller zur Lösung kommt«, fügt sie hinzu.

Obwohl im Lehramtsstudium nur wenige digitale Mathematikprogramme eingesetzt werden, empfindet Hanna Ferchof die Unkenntnis solcher Programme gleichwohl als Nachteil, wenn sie vor der Klasse steht. Deutlich wurde ihr das bei einem Schulbesuch in einer 7. Klasse, die GeoGebra verwendete:

»Da konnte ich leider nicht helfen, da wir nur sehr selten damit gearbeitet haben – und auch nur, um Formen oder ähnliches einzuzeichnen. Da ist mir dann schon bewusst geworden, dass es ein Nachteil war, nicht so viel damit gearbeitet zu haben«, sagt sie.

Hanna Ferchof hält es für wichtig, das händische Rechnen zu erlernen, macht aber auch die Erfahrung, dass die Zeit immer digitaler wird. Daher hält sie eine Kombination aus analogen und digitalen Werkzeugen für eine gute Lösung.

»Ich würde gern einen Mix einsetzen, wobei das Händische aber weiterhin die Oberhand über das Digitale haben sollte. Schließlich muss man zwar lernen, wie man mithilfe eines Programms vorgeht, aber trotzdem auch verstehen, wie das Programm auf die Lösung kommt«, meint sie.

Weitaus mehr Nutzung digitaler Hilfsmittel in Dänemark

In Dänemark werden digitale Werkzeuge bereits in den ganz jungen Klassen eingeführt. Alle Schüler*innen der Klassen 2-10 in der Stadt Aarhus haben ab dem Schuljahr 2020/2021 kostenlos ihren eigenen Computer. 2018 erhielten alle Schüler*innen der 4., 5. und 6. Klassen in der Stadt Odense je einen Laptop.

Gemäß den sog. „Gemeinsamen Zielen“ (Fælles Mål) für Mathematik sollten die Schüler*innen nach der 3. Klasse in der Lage sein, digitale Werkzeuge für Recherchen, einfache Zeichnungen und Berechnungen zu nutzen. Außerdem sollten sie Kenntnisse u. A. von digitalen Messwerkzeugen, Kommunikationsformen mit digitalen Werkzeugen und dem Rechnen mit digitalen Werkzeugen haben.

Nach der 6. Klasse sollten die Schüler*innen u. A. auch über Kenntnisse in Bezug auf forschendes Arbeiten mit digitalen Werkzeugen, verschiedene Strategien zur Lösung mathematischer Probleme – auch mithilfe digitaler Werkzeuge – und die Verwendung von Variablen in digitalen Werkzeugen verfügen.

Nach der 9. Klasse sollten sie u. A. über Kenntnisse der Notation, des Aufstellens und Umschreibens von Ausdrücken mit Variablen unter Verwendung digitaler Hilfsmittel, des Lösens von Gleichungen mit und ohne digitale Hilfsmittel sowie über Methoden zur Untersuchung von Beziehungen zwischen Datensätzen unter Verwendung digitaler Hilfsmittel verfügen. Sie sollten auch in der Lage sein, Modellierungsprozesse mithilfe digitaler Simulationen durchzuführen und mathematische Argumentationen mit Hilfe digitaler Werkzeuge zu entwickeln und zu bewerten.

Es muss unsere aktive und bewusste Entscheidung sein, wann wir digitale Hilfsmittel einsetzen

Wir sollten stets aktiv und sehr bewusst entscheiden, wann wir digitale Werkzeuge nutzen und wann nicht, meint Mogens Niss, Mathematikdidaktiker, Diplomwissenschaftler und emeritierter Professor an den Fakultäten für Naturwissenschaft und Umwelt und Mathematik und Physik (IMFUFA). In einem Webinar* erläutert er die Wichtigkeit des Einsatzes von IT im Mathematikunterricht zwecks Entwicklung der mathematischen Kompetenzen – und eben nicht umgekehrt: dass der Matheunterricht zur Plattform für die Entwicklung von IT-Kompetenzen wird.

Denn digitale Werkzeuge haben Vor- und Nachteile, wenn es um die Unterstützung der fachlichen Entwicklung der Schüler*innen in Mathematik geht. Sie können mithilfe digitaler Werkzeuge schnell Berechnungen vornehmen und Konstruktionen erstellen, und sie sehen z. B., wie sich ein Modell verändert, wenn sie eine Variable einer Funktionsformel ändern.

Aber verstehen die Schüler*innen besser, warum sich bei Ändern einer Variable ein Modell ändert, wenn sie vorher gelernt haben, wie eine Funktion zusammenhängt? Oder verstehen sie den Zusammenhang einer Funktion besser, wenn sie sehen und erfahren, wie sich ein Modell verändert, wenn sie eine Variable in der Funktion ändern?

Es kann darauf ankommen, wie ein*e Schüler*in am besten lernt, und es kann darum gehen, was die Schüler*innen nach Ansicht der Lehrkraft können sollten. Daher müssen sowohl Lehrer*innen als auch Schüler*innen einschätzen können, welche Werkzeuge – analog oder digital – in welchem Kontext am besten funktionieren.

Allerdings ist ein gewisses mathematisches Grundverständnis immer wichtig, meint Mogens Niss. So ist z. B. etwas ganz grundlegend falsch gelaufen, wenn ein*e Schüler*in etwa nicht weiß, was die Quadratwurzel aus 4 oder aus 25 ist. Denn das weiß man, wenn man verstanden hat, was eine Quadratwurzel ist. Da ist es schon eher verständlich, wenn man nicht auf Anhieb weiß, was die Quadratwurzel aus 2 ist, und hier scheint es in der Tat dann auch schlauer und schneller, einen Taschenrechner zu benutzen, als es von Hand ausrechnen zu wollen – vorausgesetzt, wohlgemerkt, man hat Vorkenntnisse in Sachen Quadratwurzeln.

Malte von Sehested, Abteilungsleiter an der Langebjerg-Schule in der Gemeinde Fredensborg und ehemaliger IT-Didaktikberater am CFU/Future Classroom Lab an der Fachhochschule Kopenhagen, findet sich in dieser Pointe ebenfalls wieder. Er verzeichnet auf deutscher Seite eine wachsende Neugier auf das, was sich in Dänemark so tut. Vor allem nach den Coronalockdowns gibt es mehr Erfahrungen damit, wofür das Digitale eben auch noch genutzt werden kann.

»Was Tools wie GeoGebra anbelangt, so haben diese hinsichtlich der Arbeit mit dem Experimentellen und Explorativen in der Mathematik enorm viel bewegt, während todlangweilige Online-Rechentrainingsdienste weder das mathematische Verständnis noch das Engagement fördern«, meint Malte von Sehested.

Er sagt aber auch, dass sich unmöglich die Frage beantworten lässt, ob sich die Fähigkeiten der Schüler*innen mithilfe digitaler Hilfsmittel nun verbessern lassen oder nicht. Dies erfordere weitaus mehr Diskussion und Austausch und auch ein gemeinsames Verständnis dessen, was wir unter Mathematik überhaupt verstehen.

*Das Webinar „IT im Mathematikunterricht – Wundermittel oder Katastrophe“ von 2020 mit Mogens Niss gehört zu einer Reihe von Webinaren, die vom dänischen Netzwerk der Mathematiklehrer (DMN) angeboten werden.

Die gesamte Webinarreihe finden Sie hier

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